
Oben ohne – eine kurze Geschichte der Ramstein Plakate
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Vor 37 Jahren übernimmt ein ziemlich junger Optikermeister in Basel von der Familie Ramstein ein altehrwürdiges Geschäft. Vielleicht ist Ramstein Optik nach all den Jahrzehnten ein klein bisschen angestaubt. Jedenfalls will Andreas Bichweiler mit Elan und frischem Wind den Staub wegblasen. Werbung heisst seine Devise, Plakatwerbung. Damit entfacht er in der Optikerbranche einen Sturm. «Das hat noch nie ein Optiker gemacht». Die Optikergilde belächelt den Jungspund und wünscht Glück.
1988 beginnt die Zusammenarbeit mit Werner Vogels renommierter Agentur FAVO. Andreas Bichweiler gelingt der Coup, die Basler Prominenz als Darsteller zu gewinnen! Die Plakate finden enormen Anklang, weil die Baslerinnen und Basler ausgesprochen stolz auf ihr Tout Bâle sind.
1995 macht Andreas Bichweiler noch einen drauf: Er möchte seine Prominenten ohne Brillen fotografieren lassen. «Jetzt wirst du übermütig. Was willst Du eigentlich verkaufen?» Werner Vogel, der alte Werbehase, schüttelt den Kopf und winkt ab. Doch der innovationsfreudige Optiker lässt sich nicht beirren. Er trifft einen der angesagtesten Schweizer Fotografen, Christian Vogt, in seinem Atelier und schwärmt von seiner Vision: Basler Prominente oben ohne, also ohne Brillen in Schwarzweissportraits. Aber alle sollen mit einer Geste rund um die Augen zeigen, dass man sich bei Ramstein trifft, wenn es um Brillen oder Kontaktlinsen geht – und man dazugehören möchte.
Christian Vogt findet das ganz clever, und wie es der Zufall will, ist er grade mitten in einer Fotosession mit zwei nackten Models. Diese bittet er ein Handzeichen für «Sehen» oder «Schauen» zu machen. Er fotografiert, und Andres Bichweiler fährt mit ein paar Polas zu Werner Vogel. Plötzlich findet der das Projekt auch cool. Ob es die Nackedeis, die Gesten oder die guten Fotos sind? Wer weiss? Jedenfalls entstehen aus der Zusammenarbeit von Christian Vogt und FAVO über die Jahre mehrere Serien von kunstvollen Schwarzweissaufnahmen, welche immer mehr zum Stadtbild gehören. Zahlreiche Bekannte, von Fille Lehr, -minu, Caroline Rasser, Patty Schnyder bis zu Nubya, Christian Gross und Tanja Grandits werden in der Folge portraitiert.
Ob sich die Optikerbranche hin und wieder am Kopf kratzen musste, ist nicht überliefert.
Zwischen den Serien mit den Opinion Leaders produziert Ramstein mit anderen Fotografen und Künstlerinnen verschiedenste Kunstplakate. 1996 etwa die fröhlichen Gesichter, die aus zwei Augen, respektive einem Paar von Gegenständen und dem Ramstein Schriftzug bestehen. Eines daraus, das Bild mit zwei Caracs, wird vom Departement des Inneren zu einem der besten Schweizer Plakate des Jahres 1996 gewählt.
A propos Kunstplakate: Ebenfalls 1996 gestaltet Alfred Hofkunst eine Lithografie in Plakatgrösse für Ramstein «To see or not to see». Die nummerierten Abzüge werden zu einem Renner unter Sammlerinnen und Sammlern und begründen eine Tradition. Jeweils zur Art Basel hängen für zwei Wochen ganz spezielle Kunstplakate. Ab 2012 sind es Variationen des knallroten Kussmundes von Sabina Roth und Peter Gartmann, Plakate, die erstmals als Unikate von lokalen und international bekannten Künstlerinnen und Künstlern überarbeitet werden.
2019 folgt noch eine Steigerung der Unikat-Idee. Andreas Bichweiler bittet Renée Levi, ein riesiges Gemälde auf Leinwand zu malen. Dieses wird in 64 plakatgrosse Teile zerschnitten, von der Künstlerin signiert und von der APG auf die Plakatstellen geklebt.
So etwas spricht sich schnell herum: Nach drei Tagen sind sämtliche 64 Gemälde von den Wänden geklaut! Renée Levi stellt in aller Eile 64 Plakate bereit, auf Papier, und so geklebt, dass sie nicht heruntergelöst werden können. Eine schöne Geschichte, welche es bis in die Kulturnachrichten von SRF2 schafft! Man bedenke: Eine Geschichte über Plakate, die ein Optiker doch gar nicht riskieren sollte. Siehe oben!
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